In den letzten paar Wochen haben wir uns im Chemieunterricht mit organischer Chemie beschäftigt und eine grosse Anzahl an verschiedensten Stoffklassen kennengelernt, darunter Kunststoffe, Fette und Kohlenhydrate. In Bezug auf das Verhalten und der Eigenschaften dieser Stoffklassen war das Thema der zwischenmolekularen Kräfte (kurz ZMK) wieder von hoher Bedeutung, da eine nicht geringe Menge der behandelten Stoffe einige beunruhigende gesundheitliche Auswirkungen auf Lebewesen haben. Besonders bei Kunststoffen, die praktisch überall in unserem Alltag vorkommen, ist die Verhinderung einer chemischen Migration der Stoffe von höchster Bedeutung. Im Unterricht haben wir uns auch mit Stoffen befasst, die das Hormonsystem stören und als endokrine Disruptoren bekannt sind. Der Stoff Bisphenol A, ein wichtiger Bestandteil vieler Produkte des täglichen Gebrauchs, wäre ein Beispiel. Neue Studien deuten darauf hin, dass ein erhöhter BPA-Spiegel im Blut mit Diabetes, Herz-Kreislaufproblemen, fehlender Libido und auch Diabetes in Zusammenhang steht. Mit seiner östrogenartigen Wirkung störte es bei Versuchsmäusen nicht nur die Sexualentwicklung, sondern auch die Gehirnfunktion. Die Problematik von endokrinen Disruptoren ist auch noch deswegen so gravierend, da Hormone in unserem Körper grundsätzlich schon in kleinen Mengen wirken, das heisst, bereits eine kleine Konzentration an Störstoffen hätte massgebliche Auswirkungen. Sie wirken wie Hormone nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip: Rezeptorspezifisch. Im Unterricht sind wir dann noch auf PFAs zu sprechen gekommen, per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, die auch durch ihre Persistenz auch als Ewigkeitschemikalien bekannt sind und beispielsweise in Imprägnierungssprays vorkommen. Ein erwähnter Stoff hier war die Trifluoressigsäure, ein Stoff, der mit seinen 14 Wasserstoffbrücken «polar wie die Sau» und somit extrem wasserlöslich ist, also schwer nachweisbar ist, was aufgrund der ätzenden und giftigen Eigenschaften heikel ist. In meinem Blog will ich mich aber auf einen anderen Vertreter der PFA-Stoffklasse auseinandersetzen, ein Vertreter, der eine zentrale Rolle bei der Synthese eines revolutionären Stoffes spielt: Der Gebrauch von Perfluoroctansäure bei der Herstellung von Teflon.
Wir schreiben das Jahr 1929 und die Menschen sterben an den Kältemitteln, genauer gesagt an dem Methylchlorid, in ihren Kühlschränken. Auf der Suche nach ungiftigen alternativen Kältemitteln experimentiert der amerikanische Chemiker Roy Plunkett mit Tetrafluorethylen und macht im Jahr 1938 eines Tages eine seltsame Entdeckung: Das Tetrafluorethylen hat sich in einem Reaktionsgefäss zu einem weissen Pulver polymerisiert. Nach einigen Versuchen daran stellt er fest, dass die Substanz enorm reaktionsträge ist. Aufgrund hoher Herstellungskosten und keiner Verwendung für das Polymer geriet Roy Plunketts Entdeckung allerdings in Vergessenheit. Einige Jahre später, als am Manhattan-Projekt arbeitende Forscher in ein unvorhergesehenes Problem mit dem Stoff Uranhexafluorid geraten, findet die reaktionsträge Substanz doch eine Verwendung: Die hohe Korrosivität von Uranhexafluorid macht die Urananreicherung schwierig. Das von Roy Plunkett entdeckte Polytetrafluorethylen (PTFE) eignet sich durch die inerten Eigenschaften hervorragend als Beschichtungsmaterial und findet eine erste Verwendung. Einige Zeit später experimentiert der französische Chemiker Marc Grégoire mit dem Polymer und seine Frau kommt als erste auf die Idee, den Stoff als Beschichtungsmaterial für Töpfe und Pfannen zu verwenden. In den folgenden Jahren ist das Produkt überall im Boom und als Teflon kommerzialisiert worden. Ein Problem jedoch, das bei der industriellen Produktion von Teflon lange Zeit kaum Beachtung fand, war der Einsatz von Perfluoroctansäure (PFOA) als Emulgator während des Polymerisationsprozesses von PTFE. PFOA gehört wie bereits erwähnt zur Gruppe der PFAS (per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen) und weist eine besonders hohe thermische und chemische Stabilität auf. Diese Eigenschaften machten die Substanz aus Sicht der Industrie attraktiv, aus ökologischer und gesundheitlicher Perspektive jedoch problematisch. Denn PFOA ist nicht nur in der Umwelt praktisch nicht abbaubar, sondern wurde auch über die Jahre hinweg in Spuren im Blutserum von Menschen weltweit nachgewiesen: Ein klarer Hinweis darauf, wie weit verbreitet und persistent die Substanz ist. Studien zeigten unter anderem Zusammenhänge zwischen PFOA-Exposition und einer Vielzahl von Erkrankungen, darunter Leberfunktionsstörungen, Schilddrüsenerkrankungen, Nierenschäden sowie Krebsarten wie Hoden- und Nierenkrebs. Besonders alarmierend: PFOA kann die Plazentaschranke passieren und somit bereits im Mutterleib auf das ungeborene Kind einwirken. Die Geschichte von Teflon und PFOA zeigt eindrücklich, wie eng Fortschritt und Verantwortung in der Chemie verknüpft sind. Stoffe mit beeindruckenden technischen Eigenschaften können langfristig unerwartete Risiken bergen. Deshalb ist es umso wichtiger, chemische Entwicklungen kritisch zu hinterfragen und nachhaltige Alternativen zu erforschen, zum Schutz unserer Gesundheit und der Umwelt.